Die Vorstellung des neuen Buches von Andrea Röpke und Andreas Speit mit dem Titel „Völkische Landnahme“, Untertitel „Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos“, würde Interesse hervorrufen, soviel war klar. Dass sich aber im Mehrgenerationenhaus „Haus der Generationen Stolzenau“ so viele Interessierte einfinden würden, war nicht abzusehen.
Organisiert wurde die Veranstaltung als Kooperationsprojekt des Vereins „Haus der Generationen Stolzenau e.V.“ mit der „Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau e.V.“, in der Verantwortung von WABE im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ – und 65 Menschen aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus waren gekommen, um sich über das Thema Rechtsextremismus zu informieren, mit dem sich die anwesende Journalistin und Politologin Andrea Röpke nun schon seit 25 Jahren beschäftigt.
„Beliebt macht diese Arbeit nicht“, so die Autorin. Auch Andrea Röpke wird, wie viele andere engagierte Menschen in der Bundesrepublik, auf einer der vielen Listen der Rechten geführt, und ihr neues Buch, mit dem sie die Verbreitung von Gesinnung und Lebensweise Völkisch-Rechter aufzeigt, wurde jüngst mit einer außergerichtlichen Welle von Abmahnversuchen überzogen. Sie und ihre Kolleg*innen sollen ihre Arbeit und ihr Engagement aufgeben, doch Andrea Röpke lässt sich nicht einschüchtern: „Wir wollen mit unseren Recherchen wachrütteln und mit dem Angebot von Vorträgen ebenjene Menschen erreichen, die in die Gesellschaft hineinstrahlen,“ so sagte sie kürzlich in einem Interview.
Die Zuhörer*innen wachzurütteln, das ist ganz sicher an dem Abend im Mehrgenerationenhaus gelungen. Es wurde mehr als deutlich, dass rechtsradikale Strömungen nicht nur ein ostdeutsches Phänomen, sondern direkt vor der Haustür zu finden sind. Auch hier in Niedersachsen und im angrenzenden Ostwestfalen leben viele Familienverbände und rechte Bünde die völkische Ideologie.
„Wir reden von ‚Landnahme‘, weil sich einerseits die Ideologie unter anderem über die AfD ausbreitet und andererseits auch die völkischen Siedler immer mehr werden.“ Engagierte nationalistische Eltern und Pädagog*innen mit rechtem Hintergrund gehören schon zur Normalität, viele freie Kindergärten und Schulen haben Probleme mit rechten Eltern, die sich einmischen und Einfluss gewinnen wollen. In kleinen Dörfern gibt es völkische Aktive, die sich aufgegebene Höfe suchen, um dort ihr rechtsnationales Gemeinschaftsleben zu praktizieren. Sie interessieren sich für ein natürliches Leben, einheimische Tierarten, regionale Traditionen und Vereinsleben und werden nicht selten für „Ökos“ gehalten, bis Rassismus und Antisemitismus zu Tage treten. Denn der Begriff ‚völkisch‘ bedeutet Ausgrenzung von allen, die nicht hier geboren wurden. Er benennt den Wunsch, alles abzulehnen, was nicht zum eigenen Volk gehört. Völkische Ideologie entstand Ende des 16. Jahrhunderts, richtete sich vor allem gegen Moderne und Liberalismus und wurde wichtiger Bestandteil des Nationalsozialismus. Dennoch: Manche Kommunen scheuen sich nicht, die Einrichtungen mit völkischem Hintergrund gar touristisch zu bewerben. Vielerorts wird noch immer völkisches, sogar nationalsozialistisches Gedankengut geduldet und auch die Nähe zum antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis“ verharmlost.
Andrea Röpke warnt: „ Wenn wir nicht aufpassen, dann gelingt es diesen Strukturen, viele unserer sozialen Errungenschaften zunichte zu machen. Wir sollten die Aussagen und Strategien der völkischen Rechten daher sehr ernst nehmen.“ Wer den Vortrag von Andrea Röpke gehört hat und vielleicht noch das Buch „Völkische Landnahme“ liest, das inzwischen auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich ist, wird diese Warnung ganz sicher ernst nehmen und auch im eigenen Umfeld genauer hinsehen.