Besuch in der Alten Synagoge Petershagen

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Eine Gruppe von jungen Menschen aus dem Landkreis Nienburg besuchte kürzlich auf Initiative von Ute Müller (Haus der Generationen Stolzenau) und Martin Guse (Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau) die Alte Synagoge Petershagen. Kooperationspartner Wolfgang Battermann erläuterte in seiner Führung die Geschichte des in Norddeutschland einmaligen erhaltenen Ensembles aus Synagoge, Schule und jüdischem Friedhof, sowie die Hintergründe der Verfolgung und Ermordung des größten Teils der einstigen Petershäger jüdischen Gemeinde.

Soweit nichts Ungewöhnliches, die Synagoge ist jeden Sonntag für Interessierte geöffnet, die mehr über diesen Teil der regionalen Geschichte erfahren wollen. Ungewöhnlich jedoch: diese jungen BesucherInnen sind aus Afghanistan, der Elfenbeinküste, dem Irak, Syrien oder Mazedonien geflüchtet – und sie sind fast alle Muslime. Religion ist für sie selbstverständlicher Teil ihres Lebens, aber Berührungsängste oder Vorbehalte gegenüber anderen Religionen gibt es unter ihnen nicht. „In meiner Schule hatte ich mehr christliche als muslimische Freundinnen“, so eine junge Frau aus dem Irak. Auch das Interesse an der jüdischen Geschichte und Religion ist groß, und die Erkenntnisse darüber, wie viele Ähnlichkeiten es zum Islam gibt, nicht minder. Rituelle Bäder, Moses oder Abraham, die Namen der Monate im Kalender, ein abgetrennter Bereich für Frauen im Gottesdienst? „Das kennen wir ja alles“, war von vielen zu hören.

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Nicht nur das, manchmal entdecken die  Jugendlichen auch Parallelen zu ihrem eigenen Leben in der früheren Heimat.  Ausgrenzung, Verfolgung, Flucht, Todesangst, Verlust von Heimat und Angehörigen sind ihnen nicht fremd. Was den jüdischen Familien in Deutschland vor über 70 Jahren widerfahren ist, haben Nor, Maryam, Mohammed und die anderen selbst erlebt. Solche Formen des Gedenkens, wie den Erhalt der Synagoge, die Stolpersteine oder die geplante Fahrt von Dmytro Vasyltsov mit dem Rollstuhl von Schostka in der Ukraine nach Liebenau (die HARKE berichtete), kannten sie allerdings bisher nicht. Und dass die Übereinstimmung zwischen den Geschichten derjenigen, die früher aus Deutschland fliehen mussten und ihren eigenen Erlebnissen so groß sind, wussten sie auch nicht – und nun wollen sie mehr erfahren. Deutschland ist das Land, in dem sie ihre Zukunft sehen, und dann gehört es für sie auch dazu, die deutsche Geschichte zu kennen.

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Darum trifft sich die Gruppe am nächsten Samstag zu einem Rundgang durch Stolzenau, bei dem Ute Müller am Beispiel des Schicksals der Familie Lipmann die Geschichte der jüdischen Gemeinde  in Stolzenau darstellen wird. Und wieder wird es dabei um Verfolgung, Vertreibung und Tod gehen, Themen die diesen jungen Leuten näher sind als vielen in Deutschland Geborenen im selben Alter.

An diesem Tag werden auch die bereits verlegten acht Stolpersteine in Stolzenau wieder geputzt, wie schon im letzten Jahr rund um den 9. November, den Jahrestag der Pogromnacht. Menschen, die vor Fanatismus und Gewalt aus ihrer Heimat fliehen mussten, helfen so mit, das Gedenken an diejenigen wachzuhalten, die Ähnliches in Deutschland erlitten. Dass die jungen Menschen auch bei der nächsten Stolpersteinverlegung in Stolzenau am 6. Dezember dabei sein wollen, ist für sie jetzt schon selbstverständlich.

Neues vom Kooperationspartner Alte Synagoge Petershagen

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Liebe Freundinnen und Freunde der Alten Synagoge Petershagen!

Wir freuen uns, Sie zur Ausstellungseröffnung am 7. November 2014 um 16.00 Uhr in die Simeoniskirche in Minden einladen zu dürfen.

Ort: Simeoniskirchhof 11, 32423 Minden.

Die Ausstellung WIR WOLLEN ERINNERN, NICHT VERGESSEN„  des Glaskünstlers Frieder Korff, wird im November in der Simeoniskirche in Minden gezeigt. Es gibt eine Einführung durch den Künstler und eine musikalische Begleitung.

In diesem Projekt stellt der Künstler – in seiner Sprache – Objekte vor, die an die Zeit des Terrors, der Gewalt und der Verfolgung im damaligen Deutschland erinnern. Der Weg dieser Ausstellung führte über Stadthagen, Hameln, Rinteln, Bückeburg, Nienburg, Petershagen und in diesem Jahr nach Minden.

Die Ausstellung wird am 7. November 2014 um 16.00 Uhr eröffnet und für Besucher vom 8.-28. November 2014 Di – Sa in der Zeit von 11.00-17.00 Uhr zugänglich sein.

Ein Begleitheft zu dem Projekt liegt aus und kann käuflich erworben werden. Die Ausstellungsvorbereitungen wurden unterstützt durch Pastor Andreas Brügmann, Wolfgang Battermann und Klaus Maiwald.